Zur Situation: Jamaika alternativlos |
"Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf!" So hatte die grüne Parteivorsitzende Katrin Göring-Eckardt zur Hochzeit der Flüchtlingskrise im November 2015 gesprochen. Sie konnte nicht ernsthaft glauben, dass diese Veränderungen ausgerechnet an der Parteienlandschaft und dem Verhalten des Elektorats vorbeigehen würden. Seit Monaten war klar, dass die AfD in den Bundestag einziehen würde. Offen war nur mit welcher Stärke. Die Partei ist das Baby Angela Merkels, die im linken Spektrum Themen okkupierte, die sie rechts fallen ließ, worauf sich wiederum die AfD stürzte. Das war nicht nur das Flüchtlingsthema; dazu gehörten auch Energie, Familie (Ehe für alle), Bundeswehr (Wehrpflicht) - der konservative Wertekanon blieb auf der Strecke. Die Abstoßungsrituale, die im TV gestern zu erleben waren, sieht der Wähler nicht zum ersten Mal. Sie gab es schon zu den Frühzeiten der Grünen und beim Einzug der SED-Nachfolgepartei PDS, heute Die Linke, in den Landtagen und im Bundestag. Aus dem kollektiven Ekeln sind längst Koalitionen auf Landesebene geworden, und im 19. Bundestag werden CDU/CSU erstmals mit den Grünen eine Bundesregierung bilden (müssen). Jamaika ist jetzt alternativlos. Genauso wie die Oppositionsrolle für die SPD, will sich Deutschlands älteste Partei in der GroKo nicht restlos ruinieren. Doch die Parteivorsitzenden von FDP und Grünen wissen, dass in den Koalitionsverhandlungen nun ihre eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht: bei Umwelt und Energie, in der Euro- und Europapolitik, der Steuerpolitik. Und da ist ja auch noch die CSU, die schwere Einbußen hinnehmen musste und die im Wahlkampfmodus bleiben wird, denn im nächsten Frühjahr ist Bayern-Wahl. Flexibilität ist im Politikgeschäft notwendig. Den Wähler kann man aber nicht zur selben Biegsamkeit zwingen. Man muss ihn mitnehmen. Die SPD mit Gerhard Schröder ist an den Herausforderungen seiner damaligen Kanzlerschaft gescheitert; inzwischen ist es beinahe auch die Union, und auf Grüne und FDP kommt Ähnliches nun zu. Jamaika wird - wie die AfD - eine drastisch neue Erfahrung im Bundestag. "Ich freue mich drauf", wagte gestern nicht mal Katrin Göring-Eckardt zu sagen. Dabei kann sie nun dem Wähler zeigen, wie man mit Zumutungen richtig umgeht, meint Ihr Ralf Vielhaber
|
|