Der Unternehmerbrief aus der Hauptstadt


71. Jahrgang / 48 vom 26.06.2017   << zum Inhaltsverzeichnis      
   
Zur Situation: Grundrechtehandel
Ich lebe in einem Land, in dem ich mich zunehmend unwohl fühle. Der Staat dringt mit seinen Schnüffeleien inzwischen in jede Ritze des Privatlebens. Jedenfalls, wenn er will. Der elektronische Briefverkehr wird rundumüberwacht - zwar "nur" von der NSA, aber die gibt wichtige Daten gern an den deutschen Verbündeten weiter. Telefonate werden mitgeschnitten, wenn sie übers Internet laufen. Und jetzt auch noch die Messenger-Dienste. Quellen-TKÜ heißt das Schnüffelgesetz harmlos, und ist doch der Rammbock, um die letzten Schutzmäuerchen gegen die staatlichen Spione einzureißen.
Wie konnte es dazu kommen, dass in dem Land, in dem 1987 Massenproteste gegen eine Volkszählung liefen, nur ein sanfter Gegenwind gegen die Abschaffung eines Grundrechtes weht? Ich habe vor allem eine Erklärung: Der Staat nutzt ein Dilemma der Zivilgesellschaft aus. Der Wunsch insbesondere von CDU/CSU nach dem Staatstrojaner ist alt. Doch in der Vergangenheit biss die Union da auf Granit. Nur "mehr Sicherheit" anzubieten zum Preis der Privatheit war lange Zeit zu wenig.
Die Flüchtlingskrise hat das Blatt jetzt gewendet. Die Zivilgesellschaft hat die Flüchtlinge aus humanitären Gründen willkommen geheißen. Mittlerweile weiß aber jeder, dass mit dem Flüchtlingszuzug die islamistische Terrorgefahr in Deutschland gestiegen ist und akut wurde.
Es ist der Eindruck entstanden, dass man das Eine - Humanität - nicht ohne das Andere - umfassende Kontrolle - haben kann. Dieselbe Regierung, die die Grenzen öffnete und zeitweise die Kontrolle verlor, will die Bevölkerung nun schützen, indem sie ihr die Privatheit und damit ein Kernelement der Freiheit raubt. Sie handelt Grundrechte.
Was mich bestürzt, ist die Art und Weise wie der Staat die Paralyse der Zivilgesellschaft ausnutzt. Und ich denke an das, was noch kommen könnte. Großbritannien hat vor den Wahlen Terroranschläge erlebt. Das will niemand herbeireden, aber wer klar denkt, wird es nicht ausschließen können. Was würde in der Hysterie eines solchen Augenblicks in Deutschland auf der Staatsagenda stehen? In Frankreich, in Belgien, ist das Militär schon auf der Straße. Ist das der nächste Schritt? fragt Ihr Ralf Vielhaber