Der Unternehmerbrief aus der Hauptstadt


71. Jahrgang / 72 vom 18.09.2017   << zum Inhaltsverzeichnis      
   
Zur Situation: Kampf um die Währungshoheit
Es gibt schon merkwürdige Zufälle. Seit Jahren wird über die Abschaffung des (anonymen) Bargelds diskutiert. Schweden hat diesen Schritt schon so gut wie vollzogen. Gleichzeitig nehmen die anonymen Kryptowährungen - die bekannteste ist Bitcoin - einen enormen Aufschwung. Ihr Volumenwert beträgt nach den jüngsten Kursen um die 120 Mrd. Dollar.
Und plötzlich wendet sich eine Armada der Hochfinanz gegen den Gebrauch der Bitcoins. Jamie Dimon, Chef von J.P. Morgan, EZB-Chef Mario Draghi, Spekulant Christopher Flowers, Alexander Dibelius (Ex-Goldman Sachs Deutschlandchef, jetzt Finanzinvestor) und auch Deutsche Bank Aufsichtsratschef Paul Achleitner polemisieren gegen das neue Privatgeld. China unterbindet den Handel und provoziert so einen Kurssturz.
Parallel dazu spekuliert die Bank der Zentralbanken, die BIZ in Basel, in ihrem Halbjahresbericht über Krypto-Zentralbankgeld. Das Thema sei "akut" für die Zentralbanken, meint die BIZ. Längst versuchen sich diese am Kryptogeld. In den USA wird an einer FedCoin gearbeitet. Sie funktioniert kaum anders als Bitcoin. Zentraler Unterschied: Sie wird ausschließlich von der Zentralbank herausgegeben. Kanada hat bereits den Prototypen einer CADCoin erschaffen und auch die Bundesbank experimentiert im Verein mit der Deutsche Börse mit Kryptogeld. Das staatliche Kryptogeld soll die Anonymität des Bargeldes gewährleisten, aber die Emissionshoheit der Staaten sichern.
Ich halte fest: Bitcoin hat offensichtlich das Zeug, ein Privatgeld zu werden, das den staatlichen Zahlungsmitteln den Rang abläuft. Es macht Banken zum Teil überflüssig. Das wird nicht nur seine Verwendung eher begünstigen. Es wird auch zu erbitterten Kämpfen der Staaten, Notenbanken und Hochfinanz um die Hoheit auf den Devisenmärkten kommen.
Fazit:
Möglicherweise sind dies bereits die Vorläufer eines neuen Währungsregimes. Die nächste Finanzkrise klopft bereits an die Tür. Zentralbanken und Staaten haben kaum noch die Mittel, ein weiteres Desaster á la 2008 aufzufangen. Dann muss ein Neuanfang her. Mit Kryptogeld? Fragt Ihr Ralf Vielhaber