Der Unternehmerbrief aus der Hauptstadt


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70. Jahrgang / 64 vom 18.08.2016   << zum Inhaltsverzeichnis      
     
EU: Neue Konstellationen nach Brexit
Der Brexit wird die althergebrachte EU-Schlachtordnung durcheinanderwirbeln. Die Veränderungen kommen von der Peripherie. Nicht nur die Visegrádstaaten unter Führung Polens suchen nach neuen Formen der Zusammenarbeit (FB vom 14.7.). Auch die nordischen Staaten sehen im Votum der Briten den Startschuss für eine eigenständigere Politik. Beides stellt die bisher unwidersprochene Führungsrolle Deutschlands mit Frankreich unter regelmäßiger Hinzuziehung Großbritanniens und Italiens infrage.
Dänemark, Finnland und Schweden haben bereits ressortübergreifende Task Forces gebildet. Sie sollen im engen Schulterschluss über die Folgen des Brexit diskutieren und Schlüsse für die Länder ableiten, analysiert die einflussreiche Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Skandinavien sieht die Chance, neue Partnerschaftsansätze zu finden. Die "großen Drei" sind jetzt ja nur noch zwei. Diese beiden haben nach weit verbreiteter Ansicht in der EU die vom Norden nicht gewünschte Abspaltung der Briten zu verantworten.
Murrend hatten die Nordlichter die Bevorzugung des Südens in der Eurokrise ertragen. Sie müssen ja für die Misswirtschaft Athens oder Lissabons mit zahlen, ohne dass sie größeren Einfluss nehmen konnten. Selbst die Finnen als Euro-Staat ohne großen Einfluss müssen blechen - wenn sie sich auch mit Griechenlands Goldreserven ein Pfand gesichert hatten.
Skandinavien will keine umfassende Reform der EU-Verträge. Stattdessen soll es eine Konzentration auf das Machbare und unvermeidliche Gemeinsame nicht zuletzt in der Flüchtlingsfrage und der Außenpolitik geben. Hier trifft man sich wohl mit den meisten EU-Ländern. Und wird die behutsamen Veränderungen in abgestimmten Vorstößen der neuen Gruppierungen Nord und Visegrad voranbringen. Voraussichtlich wird es wohl auch eine Südgruppe (ohne Griechenland) geben.
Fazit:
Der neue Ansatz, Europa informell zu regieren, bringt mehr Ideenwettbewerb und auch eine bessere Verteilung der Verantwortung auf viele Schultern. Das kann Europa gerade in der jetzigen phantasielosen Phase gut tun.