Der Unternehmerbrief aus der Hauptstadt


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69. Jahrgang / 72 vom 17.09.2015   << zum Inhaltsverzeichnis      
     
Portugal: Gebranntes Kind
In Lissabon hat Wolfgang Schäubles (CDU) harte Griechenlandpolitik ihre engsten Verbündeten. Das wird sich auch nach den Wahlen am 4. Oktober nicht ändern. Denn sowohl die regierenden konservativen Sozialdemokraten von Pedro Coelho, wie die zuvor herrschenden Sozialisten mit Lissabons früherem Bürgermeister António Costa sind Vollstrecker der Sparpolitik.
Protest im Land dagegen regt sich nur bei den Linksaußen. Eine Bewegung wie Podemos oder Syriza ist in Portugal nach den jahrzehntelangen Erfahrungen mit der faschistischen Diktatur und den traumatischen Ergebnissen der kurzzeitigen sozialistischen Ära nach 1974 aber nicht zu erwarten.
Die Ergebnisse der Reformpolitik sind beachtlich. Die Finanzen und die Banken wurden ein gutes Stück saniert, der rigide Arbeitsmarkt gelockert, der opulente öffentliche Dienst verschlankt, die Sozialleistungen gekürzt und die Portugiesen in Sachen Steuern kräftig zur Ader gelassen. So konnte das Land nach nur drei Jahren im Mai 2014 aus dem "Rettungsschirm" heraustreten und sich seitdem wieder an den internationalen Finanzmärkten selbständig finanzieren.
Doch die Strukturprobleme sind noch nicht beseitigt. Die Überakademisierung des Bildungswesens, die schwache industrielle Basis, die zur Erneuerung anstehende touristische Infrastruktur oder die nach wie vor drückende Staatsverschuldung von 124,4% des BIP - nur Italien mit 133% und Griechenland mit 180% haben in der Eurozone mehr - sind drückende Erblasten.
Fazit:
Der portugiesische Patient ist über den Berg. Gesund ist er noch lange nicht - ein signifikanter Zinsanstieg um 2 oder 3 Punkte wird das Land in arge Probleme bringen.