Der Unternehmerbrief aus der Hauptstadt


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70. Jahrgang / 1 vom 04.01.2016   << zum Inhaltsverzeichnis      
     
EU | Polen: Brüsseler Schongang
Im eskalierenden Streit zwischen der EU und Polen nimmt Brüssel den deutschen Kommissar Günther Oettinger aus der Schusslinie. Die Konstellation ist für die EU wie für Berlin denkbar ungünstig. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Medienpolitik der neuen polnischen Regierung. Ein neues Mediengesetz erlaubt es der seit kurzem regierenden PIS unter anderem, das Führungspersonal öffentlich-rechtlicher Sender auszutauschen. In der Kommission für Medien zuständig ist derzeit Oettinger. Polen verspricht sich von einem bilateral ausgetragenen Streit mit den in der EU eher unbeliebten Deutschen Rückhalt insbesondere aus dem Süden (Italien, Spanien) der EU.
Das Verfahren wird daher EU-Präsident Jean-Claude Juncker an sich ziehen. Er wird zusammen mit seinem Vize, dem Niederländer Frans Timmermans, agieren. Eine deutsch-polnische Kontroverse, wie sie Warschau anstrebt, wird damit vermieden. Am 13. Januar wird die EU-Kommission über Polens neues Mediengesetz und Verfassungsgericht beraten - für Brüsseler Verhältnisse also mehr als rasch. Einen Entzug von Fördermitteln als Sanktion, wie in Deutschland zuletzt oft kolportiert wurde, gibt es laut EU-Recht nicht. Vorstellbar ist aber eine sorgfältigere Prüfung polnischer Anträge, erfahren wir aus Kreisen der Kommission.
Polen soll nach dem Willen Brüssels als erstes Land in die Mangel genommen werden, weil es fundamentale rechtliche Grundsätze der EU verletzt. Nach den schlechten Erfahrungen mit Ungarn, wo selbst eklatante Rechtsbrüche weitgehend folgenlos blieben, wird die EU zum ersten Mal die seitdem geschaffenen Möglichkeiten zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit anwenden.
Bis 2014 gab es nur eine Sanktion: den Entzug des Stimmrechts. Das ging den Mitgliedsländern zu weit. Statt der großen Keule wird nun mit dem Florett gefochten, hören wir aus der EU-Kommission. Demnach prüft die Kommission, ob eine Verletzung rechtstaatlicher Prinzipien vorliegt. Dann muss Polen sich dazu äußern. Danach gibt es ggf. eine Änderungsempfehlung. Deren Befolgen wird kontrolliert. Erst bei Nichtumsetzung kommt es dann zu einer Entscheidung über die Entziehung des Stimmrechts.
Fazit:
Das Sanktionsverfahren gegen Warschau ist auf Gesichtswahrung aller Beteiligten angelegt. Für Berlin bietet es Erleichterung. Die schwierige Beziehung zum Nachbarn wird geschont.